Die
einfarbige Schildpattkatze von Raymonde Harland erschienen
in "katzen extra" und
"our cats" |
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Begonnen
hatte alles mit einem Wurf im November 1995 in meiner kleinen Maine-Coon-Hobbyzucht. Aus
der Verpaarung black-silver-tabby Katze und red-silver-tipped /white Kater fielen ein Black-Tabby mit Weiß und ein Silber-Schildpatt-Tabby mit weiß. Das Wissen vom letzten
Genetikkurs noch frisch im Kopf war mir klar, daß schwarz x rot schildpatt Mädchen
ergibt. (Im weiteren Txt verwende ich der Einfachheit halber nur die Farben Schwarz, Rot
und Schildpatt. Die aufgezeigten genetischen Abläufe gelten natürlich auch für Blau,
Chocolate, Lilac bzw. Creme und ie dazugehörigen Blau/Creme, Chocolate/Rot, Lilac/Creme-
Varianten, egal, ob mit oder ohne Silber, Agouti, Weiß oder Maskenfaktor) Bei einem roten
Vater mussten die schwarzen Kitten Kater sein, doch der kleine Black-Tabby mit Weiß sah
eher nach einem Mädchen aus, oder war es ein Kater mit nicht ausgebildete Hoden?
In
den nächsten Wochen beobachtete ich dieses Kitten ganz besonders besorgt, doch weder
zeigten sich sich Hoden noch rote Haare, die eine eindeutige Geschlechtsbestimmung möglich
gemacht hätten.
Die
Tierärztin verstand meine genetischen Überlegungen überhaupt nicht. Biologisch war
diese Kitten einwandfrei ein Mädchen. Und so meldete ich es als Schildpatt-Tabby mit
Weiß in der Zuchtbuchstelle und hoffte, dass die roten Haare sich noch zeigen werden. Die
Fußballen bei dem Kitten waren übrigens rosa, aber dort saß auch die Weiß-Scheckung, es
war also auch kein eindeutiges Zeichen für Rot. Ich tröstete mich trotzdem mit der
Überlegung, dass die roten Anteile ja auch unter der Weiß-Scheckung verborgen sein
konnten.
In
Gesprächen mit anderen Züchtern und dem Zuchtausschuss erfuhr ich, dass das Phänomen
der Schildpatt ohne rote Haare auch bei anderen vorgekommen war. Eine
Colourpoint-Züchterin hatte nach einer stundenlangen Untersuchung des Tieres bei
Sonnenschein und Kunstlicht aufgegeben, als kein rotes Haar zu finden war, und das Tier
als Liebchen verkauft. eine Maine-Coon-Züchterin hatte ihre "einfarbige
Schildpatt" behalten und auch schon einen Wurf mit ihr gehabt. Sie vererbte wie eine
schwarze Katze. Im Stammbaum der Tiere war sowohl der genotypische, also schildpatt, als
auch der Phäno-Typ, also schwarz eingetragen. Eine Lösung, mit der auch der
Zuchtausschuss nicht glücklich war.
Nun
packte mich die Neugier, es musste doch eine Erklärung für diese "einfarbige
Schildpatt" geben. Nach dem Wälzen diverser Bücher entdeckte ich sogar zwei
Erklärungen:
Eine
Schildpatt fällt aus einer Verpaarung eines schwarzen Katers XoY mit einer roten Katze
XOXO bzw. einer Schildpattkatze XOXo oder aus der Paarung eines roten Katers XOY mit einer
schwarzen XoXo bzw. einer Schildpattkatze XOXo. Das Allel O sitzt also immer auf dem
X-Chromosom, von dem Katzen zwei, Kater nur eines haben. Deshalb wird es
geschlechtsgebunden vererbt. Das O-Alel bewirkt in einem biochemischen Prozess die
Umwandlung des schwarzen Farbstoffes Eumelanin in Phäomelanin (Melanin) und die Haare
erscheinen rot. Hat eine Katze auf jedem X-Chromosom ein O, so ist sie völlig rot. Ist
nur auf einem X-Chromosom ein O und auf dem andere o, so passiert bei dem
Chromosomen-Kompensationsmechanismus folgendes: In den einzelnen Körperregionen wird
eines der beiden X-Chromosomen- und damit auch eine Farbe- nach dem Zufallsprinzip
ausgeschaltet und in ein Barr-Körperchen umgewandelt (Lyon-Hypothese). Die Katze ist rot
und schwarz, also schildpatt. Dieses Zufallsprinzip kann züchterisch nicht beeinflusst
werden, allenfalls die Gene für Weiß-Scheckung haben darauf einen gewissen
Einfluss, dass
sich größere Farbflecken einer Farbe zusammenballen, aber das ist ein anderes Thema.
Der
Zufall kann natürlich auch bewirken, dass sämtliche X-Chromosomen mit dem O-Allel
abgeschaltet werden. es entsteht eine einfarbige Schildpatt, in diesem Fall schwarz vom
Phänotyp. Werden die X-Chromosomen mit den o-Allel abgeschaltet, ist die Katze rot vom
Phänotyp. Wir sehen natürlich nur die Auswirkungen in den Hautzellen; ob die Katze in den anderen Zellen, besonders den Geschlechtszellen, noch genetisch schildpatt ist, kann
nur eine Testverpaarung oder eine Laboruntersuchung zeigen.
Die
zweite Variante der "einfarbigen Schildpatt" entsteht in einem noch früheren
Stadium der Zeugung durch Chromosomenaberration.
Die
normalen Zellen einer Katze enthalten 38 Chromosomen, die Geschlechtszellen (Gameten) nur
die Hälfte. Mit Ausnahme des X-Chromosoms sind also jeweils zwei identische Chromosomen
vorhanden. Eines von der Mutter, eines vom Vater. Die Geschlechtszellen mit nur einem
Chromosomensatz entstehen durch Teilung, Meiose. Bei dieser Teilung entstehen
normalerweise bei der Katze Eier /Ova) mit 19 Chromosomen, darunter ein X-Chromosom. Beim Kater entstehen Spermien mit 19 Chromosomen,
darunter entweder ein X - oder ein Y-Chromosom, aus dem bei der Vereinigung (Zygoten)
Katzen (XX) bzw. Kater (XY) entstehen. Bei diesen Prozessen können auch Mutationen
entstehen, die auch die Geschlechstchromosomen betreffen können. So können Ova mit zwei
X-Chromosomen oder völlig ohne X-Chromosom entstehen. Oder Spermien ohne X- bzw.
Y-Chromosom, bzw. mit beiden Chromosomen.
Bei
der Vereinigung gibt es dann verschiedene Kombinationsmöglichkeiten:
Treffen
ein Spermium und ein Ovum aufeinander, die beide keine Geschlechtschromosomen enthalten,
so kann kein lebensfähiges Kitten entstehen. Trifft ein Y-Spermium auf ein Ovum ohne
Geschlechtschromosom, so kann ebenfalls kein lebensfähiges Kitten entstehen. Trifft ein X-Spermium auf ein Ovum mit zwei
X-Chromosomen, so entsteht eine Superfemale Katze. Trift ein Y-Spermium auf ein Ovum mit
zwei X-Chromosomen oder trifft ein XY-Spermium auf ein normales X-Ovum, so entsteht ein
Kinefelter XXY. Sind die Eltern rot und schwarz, wird dies auch äußerlich sichtbar als
Schildpattkater.
Trift
ein X-Spermium auf ein Ovum ohne X-Chromosom bzw. ein Spermium ohne Geschlechtschromosom
auf ein normales X-Ovum, so entsteht X-Monosomie. Waren die Eltern rot und schwarz, wird
dies auch äußerlich sichtbar als "einfarbige Schildpattkatze".
Diese durch X-Monosomie entstandene Katze ist natürlich auch genetisch einfarbig, denn
sie hat nur ein X-Chromosom, also nur eine Farbe. Die bei normalen Vereinigungen
erfolgende Abschaltung eines X-Chromosoms entfällt einfach. Sie vererbt natürlich auch
als einfarbige Katze. X-Monosomie ist nur durch eine Laboruntersuchung zu erkennen, denn
bei ihnen fehlen natürlich die Barrkörperchen in den Zellen.( Es gibt noch weitere
Chromosomenabberrationen, auf die ich hier aber nciht näher eingehen will). Diese auch
"X-Null-Katzen" genannten Tiere sind in der Regel kleiner und unfruchtbar.
Die
zwei Formen der "einfarbigen Schildpatt" werfen natürlich einige Fragen bei der
Stammbaumeintragung auf, über die sich der Zuchtausschuss Gedanken machen müsste. Ich
schlage vor, die Farbe nach dem Genotyp einzutragen, also bei der Zufallabschaltung einer
Farbe in den Hautzellen schildpatt und bei der X-Monosomie die übrig bleibende Farbe. Die
hat allerdings zur Folge, dass die ersteren auf Ausstellungen der meisten Verbände nicht
gezeigt werden können oder dort sehr benachteiligt sind.( In der FIFé kann seit dem
1.1.96 nach dem Phänotyp unabhängig vom Genotyp ausgestellt werden). Es hätte aber den
Vorteil, dass bei den Nachkommen keine "unerklärlichen" Farben auftauchen
können.
Schildpattkater
sind berühmt, sie werden auf Ausstellungen bestaunt, besonders wenn sie zeugungsfähig
sind. Wer kennt nicht den Perser-Schildpatt-Kater "Indra" oder den
Cornish-Rex-Kater "Poulhu", ohne den diese Rasse heute nicht bestehen würde.
Es
gibt aber auch berühmte "einfarbige Schildpatt", z.B. die German Rex
"Jeanett vom Grund", die aus der Verpaarung zwischen dem rotgestromten
"Bonifacius" und der schwarzen "Beatrice" stammte. Sie war schwarz -
statt, wie erwartet, schildpatt - und erhielt als erste German Rex auf einer
internationalen Ausstellung 1970 in Prag ein CAC.
Sie
sehen, Sie brauchen ihre "einfarbige Schildpatt" nicht zu verstecken! Als
genetische Besonderheit sollte sie genau so viel Beachtung finden, wie ihr männliches
Pendant: der Schildpattkater.
P.S.
Nun, wo ich mich so in dieses Thema hineingekniet habe, zeigen sich nach acht Monaten die
ersten roten Haare bei meiner Kleinen. Typisch Maine Coon: Immer zu einem Streich
aufgelegt! Aber es gibt sie doch, die "einfarbige Schildpatt". Lebt bei Ihnen
vielleicht so ein Wundertier? Ich würde mich freuen, davon zu hören.